Neben der Beitragsgarantie (siehe Teil 2) ist die Pflicht zur Umwandlung des Kapitalstocks in eine lebenslange Rente (Leibrente) der tweite große Kostenfaktor. Nicht nur wird die Leibrente häufig sehr niedrig angesetzt, allein die Tatsache dass eine Leibrente notwendig wird, führt dazu dass an dieser Stelle eine Versicherung bzw ein Pensionsfonds zwingend mit ins Spiel kommen muss. Das bedeutet dann auch höhere Produktkosten, da Vertrieb und Verwaltung von Versicherungsverträgen deutlich komplexer ist als zB die Verwaltung eines Wertpapierdepots.
Garantierte Rente & Rentenfaktor
Die Höhe der monatlichen Rente, die sich aus einem bestimmten Kapitalstock ergibt, wird durch den sog Rentenfaktor bestimmt. Ein Rentenfaktor von 25 besagt, dass aus 10.000€ Kapital eine monatlich konstante lebenslange Rente von 25€ ausgezahlt wird.
Der Rentenfaktor von 25 ist dabei nicht zufällig gewählt. Bei vielen Anbieter liegt bei Neuabschluss einer Versicherung in jungen Jahren in etwa auf diesem Niveau.
Beispiel Allianz PrivatSofortRente
So bot im Herbst 2025 die Allianz Versicherung mit dem Produkt PrivatSofortRente für eine 67jährige Person für eine einmalige Zahlung von 10.000€ eine garantierte Rente von monatlich 33,46€ (bzw 401,52€ jährlich an). Mit Überschussbeteiligung wird eine Rente von 43,09€ (bzw 517,08€ jährlich) erwartet. Ist dieses Angebot attraktiv?
Zunächst stellen wir fest, dass uns 10.000€ für 24,91 x 401,52€ Zahlungen reichen. Würden wir das Geld also unverzinst auf dem Girokonto liegen lassen, könnten wir knapp 25 Jahre lang die garantierte Rente auszahlen lassen. Dabei wäre das Geld jederzeit verfügbar und vollständig vererbbar, jedoch ginge uns das Geld aus, wenn wir älter als 92 Jahre werden sollten.
Um die Attraktivität der garantierten Rente zu ermitteln schauen wir uns zunächst an, was bei vollständiger Anlage des Kapitals in sichere Bundesanleihen möglich ist. Zwar können wir so keine lebenslange Rente erhalten, aber wir können nachrechnen, wir lange wir mindestens leben müssten, um mehr zu erhalten als aus der Versicherung. Wir gehen dabei wie folgt vor: Für jedes Jahr legen wir so viel Geld in Nullkupon-Anleihen des Bundes an, wie wir für eine Auszahlung in Höhe von 401,52€ benötigen. Bei der Rendite setzen wir die aktuell gültige Rendite der Bundesanleihe mit enstsprechender Laufzeit an und ziehen davon 26,375% für die Abgeltungssteuer ab.
Bei einer Laufzeit von einem Jahr beträgt die Rendite 2,00%, nach Steuern sind dies noch 1,47%. Somit müssten heute Anleihen im Wert von 395,69€ gekauft werden, damit in einem Jahr 401,52€ zur Verfügung stehen. Entsprechend werden für eine Laufzeit von 10 Jahren 328,59€ angelegt, da sich aus der Rendite von 2,75% (nach Steuern 2,02%) wieder eine Rückzahlung von 401,52€ ergibt. Wenn wir so vorgehen reichen 10.000€ um für die nächsten 35 Jahre eine jährliche Zahlung von 401,52€ zu generieren (siehe Tabelle 1). Wir haben somit 10 Jahre gewonnen gegenüber der Girokonto-Lösung ohne Zinsen. Erst wenn wir älter als 102 Jahre (!) werden, würden wir mit der garantierten Rente im Versicherungsmantel besser abschneiden.
| Laufzeit | Rendite | Rendite nach Steuer | Investment |
| 0 | 0,00 | 0,00 | 401,52 € |
| 1 | 2,00 | 1,47 | 395,69 € |
| 2 | 2,00 | 1,47 | 389,95 € |
| 3 | 2,00 | 1,47 | 384,29 € |
| 4 | 2,25 | 1,66 | 375,98 € |
| 5 | 2,25 | 1,66 | 369,85 € |
| 6 | 2,25 | 1,66 | 363,83 € |
| 7 | 2,50 | 1,84 | 353,39 € |
| 8 | 2,50 | 1,84 | 347,01 € |
| 9 | 2,75 | 2,02 | 335,24 € |
| 10 | 2,75 | 2,02 | 328,59 € |
| 11 | 2,75 | 2,02 | 322,07 € |
| 12 | 3,00 | 2,21 | 308,92 € |
| 13 | 3,00 | 2,21 | 302,25 € |
| 14 | 3,00 | 2,21 | 295,72 € |
| 15 | 3,00 | 2,21 | 289,33 € |
| 16 | 3,00 | 2,21 | 283,07 € |
| 17 | 3,00 | 2,21 | 276,96 € |
| 18 | 3,00 | 2,21 | 270,97 € |
| 19 | 3,25 | 2,39 | 256,20 € |
| 20 | 3,25 | 2,39 | 250,22 € |
| 21 | 3,25 | 2,39 | 244,37 € |
| 22 | 3,25 | 2,39 | 238,66 € |
| 23 | 3,25 | 2,39 | 233,08 € |
| 24 | 3,25 | 2,39 | 227,64 € |
| 25 | 3,25 | 2,39 | 222,32 € |
| 26 | 3,25 | 2,39 | 217,12 € |
| 27 | 3,25 | 2,39 | 212,05 € |
| 28 | 3,25 | 2,39 | 207,09 € |
| 29 | 3,25 | 2,39 | 202,25 € |
| 30 | 3,25 | 2,39 | 197,53 € |
| 31 | 3,25 | 2,39 | 192,91 € |
| 32 | 3,25 | 2,39 | 188,40 € |
| 33 | 3,25 | 2,39 | 184,00 € |
| 34 | 3,25 | 2,39 | 179,70 € |
Selbst wenn wir die nicht garantierte jährliche Rente von 517,08€ ansetzen reicht unser Kapital für 24 Jahre, wenn wir risikofrei in Bundesanleihen investieren. Und wenn wir uns damit begnügen, dass die garentierte Rente "nur" bis 95 reicht (also 28 Jahre lang), dann müssten wir nur etwa 8.500€ in Bundesanleihen investieren - und 1.500€ könnten in Aktien oder andere Wertpapiere fließen. Würde dieses Risikokapital (zugegeben unrealistischerweise) jedes Jahr mit einer Rendite von 9,5% (6,99% nach Steuern) an Wert gewinnen, würden wir auch so bis 95 auf zusätzliche 115€ kommen und somit dasselbe erreichen wie die Allianz PrivatSofortRente.
Bewertung
Obwohl das Angebot der Allianz Versicherung zu den besten am Markt gehört und der Anbieter zweifelsohne finanziell stabil ist, erscheint es uns kaum attraktiv. Die garantierte Rente ist niedrig gemessen am aktuellen Zinsniveau und erfordert eine außerordentlich lange Lebenszeit um mit der Versicherung besser dazustehen. Dabei haben wir vereinfacht gerechnet und mögliche Steuern bei Auszahlung der Versicherung noch gar nicht berücksichtigt. Wer eine private Altersvorsorge als Zusatz zur gesetzlichen Rente sucht, kann (und sollte) in der Zusatzversorgung "mehr Risiko" eingehen. Mehr Risiko bedeutet hier eine Anlage in andere Instrument, die nicht Bundesanleihen sind. Zwar wirken diese oft risikoreicher, da sie stärker schwanken, allerdings bieten sie auf lange Sicht zumeist einen besseren Inflationsschutz. Auch ist die Streuung besser. Zwar ist der deutsche Staat finanziell solide, dennoch erscheint es nicht zwingend angebracht, bei der gesamten Altersvorsorge auf die Zahlungsfähigkeit des Staates zu vertrauen - sowohl der gesetzlichen Rentenversicherung als auch dem Bundeshaushalt.
Verrentung bei Riester und bAV
Zwar ist das oben genannte Beispiel einer privaten Rente nicht aus einem Riester-Vertrag oder einer bAV entnommen, zeigt es deutlich, wo die Probleme der Verrentungspflicht liegen. Versicherungen bieten zumeist nur sehr geringe Garantierenten selbst in vergleichsweise einfachen Produkten wie der (ungeförderten) Sofort-Rente. Geförderte Produkte, die auch zT schon Jahrzehnte vor Renteneintritt feste Zusagen machen müssen, sind häufig noch weniger attraktiv.
Ein häufig vorgebrachter Einwand ist, dass nur eine lebenslange Rente eine "echte" Rente sei - und alles andere eher einer Spardose entspricht aus der man Geld entnimmt bis das Geld dann nicht mehr reicht. Fair enough. Im Kontext des deutschen Sozialversicherungs- und Grundsicherungssystems kann darauf aus unserer Sicht auch verzichtet werden. Jeder der Riester oder bAV machen kann, bekommt auch eine gesetzliche Rente, die bei den meisten zumindest die Grundsicherung übersteigt, ein Leben lang gezahlt wird und nie sinkt. In sehr hohem Alter (über 95) kommt man zumeist ohnehin mit weniger Geld aus, da man dann zumeist weniger aktiv ist (zB ins Restaurant geht). Andere alterbedingte Kosten im Bereich Gesundheit und Pflege sind etweder durch die Sozialversicherungen abgedeckt oder so hoch (etwa bei stationärer Pflege im Pflegeheim), dass sie ohnehin kaum über längere Zeit privat finanziert werden kann. Und ob das Pflegeheim dann vom Sozialamt bezahlt wird oder aus dem eigenen Ersparten dürfte den meisten dann eh recht egal sein.
Daher sehen wir die Pflicht zur Verrentung bei Riester und bAV kritisch. Sie verstärkt zudem die Tendenz der gesetzlichen Rentenversicherung von niedrigen zu hohen Einkommen umzuverteilen Versicherte mit geringen Einkommen auch eine geringere Lebenserwartung haben. Sie ist zudem der einzige Grund, warum Versicherungen ins Spiel kommen müssen - ohne Pflicht sind auch Implementierungen in Form von Fonds und Depots vorstellbar, was die Kosten für Vertrieb und Verwalutng deutlich senken sollte. Wer dennoch eine Verrentung wünscht, sollte dies kurz vor Renteneintritt dennoch wählen können. Wer sich etwa mit 67 Jahren zum Rentenbeginn dafür entscheiden möchte, sollte ein Angebot wie das Allianz-Produkt kaufen können - und den Kapitalstock in eine monatliche Rente umwandeln können.