Erwartungen zur Entwicklung von Sozialverversicherungsbeiträgen, Steuern und zur Rente
Der Finanzplan berücksichtigt wesentliche Aspekte des deutsche Sozialversicherungs- und Steuersystems. Um einen langfristigen Finanzplan austellen zu können, ist es daher notwendig die Entwicklung dieser Systeme über die kommenden Jahrezehnte abschätzen zu können. Zwar kann dies immer nur rudimentär passieren, da sowohl die wirtschaftlichen und demographischen Trends nur approximiert werden können aber insbesondere die politische Antwort, also Reformen, nur grob vorhergesehen werden können.
Damit sind langfristige Prognosen notwendigerweise fehlerhaft. Dennoch halten wir es für sinnvoll, hierfür Modelle heranzuziehen statt die aktuelle Situation fortzuschreiben. Wir stützen uns dabei im Wesentlichen auf Daten und Modellen Anderer, vom Statistischen Bundesamt über die Bundesbank bis hin zum Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Wir kombinieren deren Daten und Ergebnisse mit eigenen Berechnungen und erstellen hieraus ein Basisszenario. Dieses versucht die Entwicklung von Beitragssätzen zur Sozialversicherung sowie des Rentenwertes für die kommenden 50 Jahre fortzuschreiben. Dabei wird die aktuelle Gesetzeslage im Wesentlichen fortgeschrieben, wobei Annahmen zur Bevölkerungsentwicklung, Produktivitätsentwicklung und Arbeitsmarktstrukturen die Wesentlichen Einflussgrößen sind. Dass mögliche Reformen diese Entwicklung beeinflussen können (etwa Lasten von Rentner auf Arbeitnehmer oder umgekehrt umzuverteilen) bleibt hierbei außer Acht, weil unklar ist, wie diese Reformen aussehen könnten.
Neben dem Basisszenario werden auch wesentliche Reformvorhaben simuliert sobald sie konkretisiert vorliegen, siehe unten. Doch selbst dort werden einige Grundsätze beibehalten:
- Regelaltersrente bleibt auch nach 2030 unverändert bei 67 Jahren.
- Beiträge werden 50/50 von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bezahlt. Rentner zahlen Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zur Hälfte, tragen jedoch den vollen Satz für die Soziale Pflegeversicherung (SPV).
- Kinderlose zahlen einen Zusatzbeitrag von 0,6% in der SPV.
- Der Rentenanspruch bleibt im Wesentlichen proportional zu den Rentenzahlungen (Entgeltpunkten), mit Ausnahme von Erziehungszeiten und Grundrente.
- Der Rentenwert entwickelt sich nach der Rentenwertformel, die die Rentenwert im Wesentlichen an die Bruttolohnentwicklung koppelt. Der Nachhaltigkeitsfaktor dämpft den Anstieg der Renten jedoch, sofern dadurch jedoch keine Untegrenzen unterschritten werden (fallende nominale Rentenhöhe). Das Sicherungsniveau ist noch bis 2025 auf 48% festgelegt womit der Nachhaltigkeitsfaktor bis dahin außer Kraft gesetzt ist.
Basisszenario
Entwicklung der Beitragssätze und Steuern
Der Beitragssatz für die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) steigt zunächst von aktuell 18,6% auf über 20% im Jahr 2030 an. Bis 2040 ist der Satz knapp über 22% gestiegen und liegt im Jahr 2050 bei 23%. Diese Entwickung ist vor allem geprägt durch den demographischen Wandel, der durch den Einbruch der Geburtenrate in der Generation der Baby-Boomer ausgelöst wird. Im Weiteren Verlauf steigt der Beitragssatz vornehmlich aufgrund der steigenden Lebenerwartung weiterhin, auf 24% in 2060 und 25% in 2075.
Auch die Beitragssätze zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) dürften in den kommenden Jahren zunächst stark ansteigen, von (durchschnittlich) 15,8% auf 18% in zehn Jahren. Danach steigt der Beitrag nur noch geringfügig auf 18,5 % in 2045 und bleibt danach stabil auf diesem Niveau. Weitere Kostensteigerungen durch neue Medikamente und Behandlungsmethoden sind durchaus möglich wie auch Effizienzsteigerungen im Gesundheitswesen. Etwaige Auswirkungen auf die Beitragsstruktur ist daher nicht abzusehen.
Auch die Soziale Pflegeversicherung (SPV) dürfte erhebliche Kostensteigerungen erfahren, wenn auch erst etwas später. Der Anstieg von aktuell 3,4% auf 3,8% ist in den nächsten zehn Jahren moderat. Bis 2045 ist jedoch ein Anstieg auf 4,8% zu erwarten, wenn der Pflegebedarf der Baby-Boomer seinen Höhepunkt erreichen dürfte. Der Beitragssatz bleibt anschließend relativ stabil.
Auch der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung (AV) dürfte tendenziell steigen. Trotz der hohen Nachfrage nach Arbeitskräften dürften die erwarteten höheren Abgaben und Steuern die strukturelle Arbeitslosigkeit wieder leich erhöhen. Von aktuell 2,6% steigt der Beitrag über 30 Jahre um etwa einen Prozentpunkt auf 3,5%.
Die Entwicklung der Beitragssätze ist in untenstehender Graphik abgebildet sowie in der Tabelle.
| Jahr | GRV | GKV | SPV | AV |
|---|---|---|---|---|
| 2024 | 0.186 | 0.158 | 0.034 | 0.026 |
| 2025 | 0.186 | 0.165 | 0.034 | 0.026 |
| 2026 | 0.186 | 0.1675 | 0.034 | 0.028 |
| 2027 | 0.186 | 0.17 | 0.034 | 0.028 |
| 2028 | 0.197 | 0.17 | 0.035 | 0.03 |
| 2029 | 0.2 | 0.175 | 0.0355 | 0.03 |
| 2030 | 0.202 | 0.175 | 0.036 | 0.032 |
| 2031 | 0.21 | 0.175 | 0.0365 | 0.032 |
| 2032 | 0.212 | 0.175 | 0.037 | 0.032 |
| 2033 | 0.213 | 0.175 | 0.0375 | 0.032 |
| 2034 | 0.214 | 0.175 | 0.038 | 0.032 |
| 2035 | 0.215 | 0.18 | 0.0385 | 0.0325 |
| 2036 | 0.217 | 0.18 | 0.039 | 0.0325 |
| 2037 | 0.219 | 0.18 | 0.04 | 0.0325 |
| 2038 | 0.22 | 0.18 | 0.041 | 0.0325 |
| 2039 | 0.221 | 0.18 | 0.042 | 0.0325 |
| 2040 | 0.222 | 0.183 | 0.043 | 0.033 |
| 2041 | 0.223 | 0.183 | 0.044 | 0.033 |
| 2042 | 0.224 | 0.183 | 0.045 | 0.033 |
| 2043 | 0.225 | 0.183 | 0.046 | 0.033 |
| 2044 | 0.226 | 0.183 | 0.047 | 0.033 |
| 2045 | 0.227 | 0.184 | 0.048 | 0.034 |
| 2046 | 0.228 | 0.184 | 0.048 | 0.034 |
| 2047 | 0.229 | 0.184 | 0.048 | 0.034 |
| 2048 | 0.23 | 0.184 | 0.048 | 0.034 |
| 2049 | 0.231 | 0.184 | 0.048 | 0.034 |
| 2050 | 0.231 | 0.184 | 0.048 | 0.035 |
| 2051 | 0.232 | 0.184 | 0.048 | 0.035 |
| 2052 | 0.233 | 0.184 | 0.048 | 0.036 |
| 2053 | 0.234 | 0.184 | 0.048 | 0.036 |
| 2054 | 0.235 | 0.184 | 0.048 | 0.036 |
| 2055 | 0.236 | 0.184 | 0.048 | 0.036 |
| 2056 | 0.237 | 0.184 | 0.048 | 0.037 |
| 2057 | 0.238 | 0.184 | 0.048 | 0.037 |
| 2058 | 0.239 | 0.184 | 0.048 | 0.037 |
| 2059 | 0.24 | 0.184 | 0.048 | 0.037 |
| 2060 | 0.242 | 0.184 | 0.048 | 0.038 |
| 2061 | 0.242 | 0.184 | 0.048 | 0.038 |
| 2062 | 0.243 | 0.184 | 0.048 | 0.038 |
| 2063 | 0.243 | 0.184 | 0.046 | 0.038 |
| 2064 | 0.245 | 0.184 | 0.046 | 0.038 |
| 2065 | 0.245 | 0.185 | 0.046 | 0.039 |
| 2066 | 0.246 | 0.185 | 0.046 | 0.039 |
| 2067 | 0.246 | 0.185 | 0.046 | 0.039 |
| 2068 | 0.247 | 0.185 | 0.046 | 0.039 |
| 2069 | 0.247 | 0.185 | 0.046 | 0.039 |
| 2070 | 0.248 | 0.185 | 0.0425 | 0.04 |
| 2071 | 0.248 | 0.185 | 0.0425 | 0.04 |
| 2072 | 0.248 | 0.185 | 0.0425 | 0.04 |
| 2073 | 0.248 | 0.185 | 0.0425 | 0.04 |
| 2074 | 0.248 | 0.185 | 0.0425 | 0.04 |
| 2075 | 0.25 | 0.185 | 0.0425 | 0.041 |
Entwicklung der Rente
In untenstehender Graphik ist das Sicherungsniveau (vor Steuern) der GRV abgebildet. Es beschreibt das Verhältnis der Rentenhöhe eines Rentners mit 45 Entgeltpunkten nach Abzug von SV-Beiträgen zum Durchschnittslohn nach Abzug von SV-Beiträgen.
Von aktuell 48% geht das Sicherungsniveau auf 46% in 2035 um dann bis 2050 auf 44% zu fallen. Anschließend verlangsamt sich der Rückgang, sodass das Sicherungsniveau in 2070 bei 42,5% liegt.
Der Rückgang des Sicherungsniveaus dämpft den Anstieg des Rentenwerts, sodass dieser in den kommenden Jahrzehnten langsamer wächst als Löhne und Gehälter. Nehmen wir an, dass die Inflation 2% pro Jahr beträgt und Löhne real etwa um 1% pro Jahr steigen (nominal also 3%), bedeutet der Rückgang des Sicherungsniveaus jedoch auch weiterhin einen Anstieg der Rente um mehr als die Inflation! Wir haben dieses Szenario unten einmal graphisch abgebildet.
Quellen
- Bundesbank (2019) - Monatsbericht: Zu den langfristigen Perspektiven der gesetzlichen Rentenversicherung
- Bundesbank (2022) - Monatsbericht: Wie Rentenreformen wirken können
- BMAS (2024) - Gesetz zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zum Aufbau eines Generationenkapitals für die gesetzliche Rentenversicherung (Gesetzesentwurf zum Rentenpaket II)
- Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2020) - Rentenfinanzen und fiskalische Tragfähigkeit: Aktueller Rechtsstand und Effekte verschiedener Reformen