Rückblick auf fast 25 Jahre Riestern
Riester-Rente I

Die nachgelagerte Besteuerung als das Förderprinzip der Riester-Rente

Jüngst sorgte die Riesterrente wieder für Schlagzeilen. So berichtete das Finanzportal Finanztip am 24 September, dass das Jahr 2025 drauf und dran ist ein Rekordjahr für Kündigungen von Riesterverträgen zu werden. Mehr als 300.000 Verträge dürften dieses Jahr gekündigt werden, was deutlich über den 250.000 der letzten Jahre liegt. Insgesamt sind von etwa 20 Mio Verträgen inzwischen etwa 5 Mio vorzeitig gekündigt worden. Ein klares Votum der Bürger gegen das "riestern" - insbesondere da Kündigungen mit der Rückzahlung der staatlichen Förderung verbunden ist.

Reformbedarf erkannt

In der politischen Diskussion ist eine Reform der Riesterrente unstrittig. Sowohl die Ampelkoalition als auch die aktuelle schwarz-rote Koalition hatten eine Reform im Koalitionsvertrag vereinbart. Die aktuelle Regierung hat das Ziel die Riester-Rente "von bürokratischen Hemmnissen [zu] befreien und mit dem Verzicht auf zwingende Garantien sowie der Reduzierung der Verwaltungs-, Produkt- und Abschlusskosten [zu] reformieren." Zudem will die Koalition mit der sog. Frühstart-Rente "für jedes Kind vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr [...] pro Monat zehn Euro in ein individuelles, kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot einzahlen" welches im Anschluss "durch private Einzahlungen bis zu einem jährlichen Höchstbetrag weiter bespart werden" kann. Ob es sich dabei um zwei verschiedene staatlich geförderte kapitalgedeckte Altersvorsorgeprodukte handelt oder ob diese zu einem "Altersvorsorgedepot" zusammengeführt werden ist bisher unklar. Da Anfang Oktober zur Frühstart-Rente jedoch noch kein Gesetzesentwurf vorlag ist der angekündigte Start zum 01.01.2026 wohl vom Tisch. Da an anderer Stelle im Koalitionsvertrag auch explizit eine stärkere Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge angestrebt wird (eine weitere Förderart von kapitalgedeckten Altersvorsorge) ist es eher unwahrscheinlich, dass eine Konsoldierung dieser unterschiedlichen Fördersysteme angestrebt wird.

Dennoch nehmen wir die jüngsten Statistiken und die Ankündigungen aus der Regierungskoalition zum Anlaß, um mal ein weniger tiefer in das Thema Riester-Rente einzusteigen. Dabei legen wir den Schwerpunkt auf drei Kernthemen: dem Förderprinzip durch nachgelagerte Besteuerung (dieser Teil), der Beitragsgarantie in der Ansparphase (Teil II) sowie der Verrentung in der Rentenphase (Teil III). Im vierten Teil fassen wir die Ergebnisse zusammen und leiten daraus notwendige Reformen ab.

Förderprinzip nachgelagerte Besteuerung

Die Förderung der privaten Altersvorsorge (Riester) wird durch eine nachgelagerte Besteuerung erreicht. Statt das Arbeitskommen vollständig heute zu besteuern wird so getan, als ob ein Teil dieses Einkommens erst im Rentenalter erzielt wurde - und erst dann versteuert wird. Im Rahmen der Riester-Reform wurde die nachgelagerte Besteuerung nicht nur für geförderte kapitalgedeckte Verträge eingeführt, sondern auch für die gesetzliche Rentenversicherung. Hier sind seitdem Rentenversicherungsbeiträge von der Einkommensteuer absetzbar, die Rentenzahlung im Alter wird jedoch vollständig besteuert.

Diese Art der Förderung wird auch in anderen Ländern angewendet und findet auch in der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) Anwendung, dort jedoch mit einer Nachlagerung von Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträgen, wohingegen bei Riesterverträgen "nur" die Einkommensteuer nach hinten verlagert wird.

Die Ansparphase

Wir betrachten hierzu ein vereinfachtes Beispiel: Ungo verdient brutto 50.000€ und zahlt darauf 20% Sozialversicherungsbeiträge, die von der Steuer als Sonderausgaben absetzbar sind. Das Steuerbrutto beträgt somit 40.000€. Beim aktuellen Steuertarif müssen hiervon 18% Einkommensteuer gezahlt werden und es bleiben Ungo netto 32.800€. Aus diesem netto spart Ungo 3.400€ für die Altersvorsorge an und gibt den Rest für die Lebenhaltungskosten aus: 29.400€

Förderike hingegen ist in derselben Einkommenssituation wie Ungo, nutzt jedoch die nachgelagerte Besteuerung. 5.000€ legt sie für die Altersvorsorge zurück und reduziert dadurch ihr Steuerbrutto auf 35.000€. Aufgrund der Progression im ESt-Tarif wird daruf nur 16% Steuer fällig, also 5.600€. Netto bleiben ihr dann noch 29.400€.

Beide haben also nach Sozialversicherungsbeiträgen, Steuern und privaten Altersvorsorgebeiträgen denselben Betrag (29.400€) pro Jahr für Konsum zur Verfügung. Während Förderike jedoch 5.000€ angelegt hat, sind dies bei Ungo nur 3.400€. Die Differenz, 1.600€ ging als höhere ESt an den Staat.

Ungefördert Gefördert
„Ungo“ „Förderike“
2025 (Arbeit)
Brutto 50.000 € 50.000 €
SV-Beiträge (20%) 10.000 € 10.000 €
AV 5.000 €
Steuerbrutto 40.000 € 35.000 €
ESt-Satz 18 % 16 %
ESt 7.200 € 5.600 €
Netto 32.800 € 29.400 €
AV 3.400 €
Konsum 29.400 € 29.400 €
2035 (Rente)
Gesetzliche Bruttorente 20.000 € 20.000 €
SV-Beiträge (10%) 2.000 € 2.000 €
AV 8.954 €
Steuerbrutto 18.000 € 26.954 €
ESt-Satz 6 % 13 %
ESt 1.080 € 3.504 €
Netto 16.920 € 23.450 €
AV vor KESt 6.089 €
KE 2.689 €
KESt (25%) 672 €
Konsum 22.337 € 23.450 €
Steuern 1.752 € 3.504 €
Die Rentenphase

Springen wir nun 10 Jahre in die Zukunft und Ungo und Förderike gehen nun in Rente. Beide konnten auf ihr Kapital 6% Rendite pro Jahr (79% insgesamt) erzielen.

Wir nehmen an, dass beide eine gesetzliche Bruttorente von 20.00€ pro Jahr haben, worauf sie 10% Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Beide müssen ihre Rente voll besteuern, wobei Förderikes geförderte Altersvorsorge dazugezählt wird. Ungo hingegen muss auf seine Altersvorsorge keine Einkommensteuer zahlen, sondern zahlt auf die Kapitalgewinne die Abgeltungssteuer von 25%.

Bei Ungo beträgt das Steuerbrutto für die ESt 18.000€, woraus sich ein ESt-Satz von 6% nach dem aktuellen Tarif ergibt. Macht 1.080€ ESt, die er zahlen muss. Aus seiner Kapitalanlage von 3.400€ sind nach 10 Jahren 6.089€ geworden und somit ein Kapitalertrag von 2.689€. Darauf werden nun 25% Abgeltungssteuer fällig, also 672€. Somit stehen Ungo für seinen Konsum 22.337€ zur Verfügung.

Förderike hat mit zwar dieselbe Rendite wie Ungo erzielt, jedoch 5.000€ angelegt. Daruas wurde dann 8.954€, die sie nun aber voll versteuern muss. Ihr Steuerbrutto beträgt somit 26.954€ und der ESt-Satz liegt demnach bei 13% - entspricht 3.504€. Netto für den Konsum verbleiben ihr somit 23.450€, also 1.114€.

Vorteil für Bürger und Staat

Wir sehen also, dass die nachgelagerte Besteuerung vorteilhaft ist, da bei gleichem Konsum ein größerer Beitrag in die Altersvorsorge gesteckt werden kann. Die ursprünglichen Mindereinnahmen des Staates (-1.600€) werden in unserem Beispiel durch höhere Steuereinnahmen in der Rentenphase (über)kompensiert (+1.752€). Somit hat auch der Staat nich weniger Steuereinnahmen, er hat diese nur später. Dies dürfte ohnehin besser zu den Ausgaben des Staates passen. Bei Ungo fielen die Steuern von Arbeits- zur Rentenphase von 7.200€ auf 1.752€ (-75%), während sie bei Förderike von 5.600€ auf 3.504€ (-37%). Dieses gleichmäßigere Steueraufkommen in Arbeits- und Rentenphase dürfte adäquater sein was die Inanspruchnahme von (steuerfinanzierten) Leistungen des Staates betrifft. Auch Rentner nutzen die öffentliche Verwaltung, benutzen Straßen und Bibliotheken und profitieren vom Schutz durch Polizei und Militär. Nehmen also mehr Bürger an der nachgelagerten Besteuerung teil wird die langfristige Stabilität der öffentlichen Haushalte gestärkt - zumindest in unserem Beispiel. Wir haben an einigen Stellen Vereinfachungen vorgenommen, um uns auf das Grundprinzip konzentrieren zu können. Ob und in welchem Maße diese Förderung für den Staat über die Zeit hinweg aufkommensneutral ist hängt vom Steuertarif und den Renditen und Zinsen ab. In unserem Beispiel könnte der Staat die Mindereinnahmen in 2025 durch Ausgabe von Anleihen mit einem Zins von nicht mehr als 0,9% kompensieren, ohne ein Verlustgeschäft zu machen.

Zulagen statt Steuerfreibetrag

Alternativ zum Steuerfreibetrag findet die Förderung von Riester-Verträgen häufig durch Zulagen statt, um insbesondere Geringverdienern und Eltern einen höheren Vorteil zu gewähren als das bei reiner Steuerstundung der Fall wäre. Ob die Föderung durch Zulagen oder den Steuerfreibetrag vorteilhafter ist wird dabei automatisch vom Finanzamt geprüft. Dies ist analog zur Regelung, dass anstelle eines Kinderfreibetrags auch Kindergeld bezogen werden kann.



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