Sie sind risikoavers!
Sie streben nach einem weitestgehend konstanten Konsum über das ganze Leben hinweg, wobei Sie an neuen Konsummöglichkeiten partizipieren wollen. Die gesetzliche Rente, also monatliche sichere Zahlungen, die jedes Jahr an die allgemeine Lohnentwicklung angepasst werden, ist ein ideales Produkt.
Ein stetiges monatliches Einkommen, dass regelmäßig um Inflation und allg. Einkommenssteiguerung angepasst wird ist die Zielvorstellung.
Das Ziel von Sparen und Investieren ist das Verschieben von Konsum in die Zukunft. Es muss heute auf Konsum verzichtet werden, um in der Zukunft konsumieren zu können.
=> Renditen müssen nach Steuer und nach Inflation gemessen werden.Schwerpunkt der Finanzplanung ist die Altersvorsorge. Ziel der Altersvorsorge ist die Sicherstellung eines adäquaten Lebensstandard im höheren Alter, wenn kein Arbeitseinkommen erzielt werden kann. Die Nachlassplanung, also das Ziel nach dem Tode den Kindern, Enkeln oder sonstigen Organisationen Vermögen zu hinterlassen wird getrennt hiervon und als nachrangiges Ziel verfolgt.
Vermögen wird danach bemessen wie viel Konsum es über einen langen Zeitraum von ca. 20 Jahren finanziert. Daher ist nicht der Marktwert eines Vermögensstand entscheidend für unseren Wohlstand sondern die daraus resultierenden Zahlungen.
Dies hat Auswirkungen auf die Bewertung von Vermögensgegenständen, insbesondere an Börsen gehandelten Wertpapieren.
Wir sind im Sommer 2010. Sie sind 35 Jahre alt und entscheiden sich, Geld für Ihre Rente zurückzulegen. Diese soll mit 67 beginnen - also im Jahr 2042. Nach kurzer Recherche stoßen Sie auf die Bundesanleihe (DE0001135432), die am 23.07. mit einem Zins von 3,25 % ausgegeben wird und am 04.07.2042 fällig (d.h. zurückgezahlt) wird. Bei Inflationsraten von zuletzt etwa 2% erwartet Sie zwar keine bombastische reale Rendite, aber Sie entscheiden sich dennoch mal ein wenig anzulegen. Als Sicherheitsbaustein für Ihre Rente kaufen Sie daher für die bisher auf dem Tagesgeldkonto liegendenden 10.000 € die Anleihe zu einem Kurs von 100%.
Was Sie bekommen ist klar: jedes Jahr erhalten Sie zum Zinstermin am 04.07. auf Ihr Verrechnungskonto 325 € überwiesen. Nicht mehr, nicht weniger. Und das die nächsten 32 Jahre lang, bis schließlich am 04.07.2042 die Rückzahlung und die letzte Zinszahlung erfolgt, also 10.325 €. Bezüglich dieser Zahlungen besteht keinerlei Unsicherheit, außer Sie glauben natürlich, die Bundesrepublik Deutschland ist irgendwann nicht mehr in der Lage ihre Schulden zurückzuzahlen. Hört sich langweilig an.
Betrachten Sie jedoch folgenden Kursverlauf (in %):
Sieht gar nicht so langweilig und sicher aus, wie Sie gedacht haben? Vom April bis Juni 2015 ist der Kurs von 170 auf unter 140 gefallen, ein Rückgang um 17% in nur 3 Monaten. Das Jahr 2022 war gar noch dramatischer, von 175 im Dezember 2021 stürzte der Kurs auf 115 im Oktober 2022 - ein Rückgang um 35%. Doch es gab nicht nur schlechte Zeiten. Im August 2018 hatte der Kurs seinen bisherigen Spitzenwert erreicht, bei etwa 185. Ein Gewinn von 85% in zehn Jahren, eine Kursrendite von 6,3% und das zusätzlich zu den Zinszahlungen die Sie weiterhin regelmäßig erhalten. Nicht schlecht für ne langweilige deutsche Staatsanleihe, aber so richtig langweilig wars dann aber auch nicht. Was ist hier los?
Wie sollten Sie sich im August 2019 fühlen? Sollten Sie sich nach Blick in Ihre Depot-App auf die Schulter klopfen, weil Sie mit Ihrer Anlage gut Rendite gemacht haben? Fühlen Sie sich nun 85% reicher als noch vor 10 Jahren? Schließlich sagt Ihnen Ihre Depot-App, dass Sie 85% im Plus sind, das muss doch gut sein, oder? Oder?
Leider nein. Denn wenn Sie das Wertpapier nicht verkaufen, dann hat sich nichts geändert. Sie bekommen immer noch die langweiligen 325 € jedes Jahr und Sie erwarten immer noch nur 10.325 € beim Renteneintritt in schon 22 Jahren (Mensch, wie doch die Zeit vergeht).
Müssen Sie also verkaufen, um den Gewinn von 85% zu realisieren? Nun, nehmen wir an Sie verkaufen. Sie wollen aber dennoch das Geld sicher für Ihre Altersovorsorge sparen. Also sehen Sie sich um, stellen aber fest, dass die anderen Bundesanleihen nun gar keinen Zins mehr liefern.
Sie rechnen schnell im Kopf. Wenn Sie Ihre Anleihe zum Kurs von 185% verkaufen, erhalten Sie 18.500 € (Sie hatten ja 10.000 € angelegt.). Sie könnten nun die neu emittierte Bundesanleihe (DE0001102481) mit 0% Zinsen kaufen, die sogar etwas länger läuft, nämlich bis ins Jahr 2050. Allerdings würden Sie bei dieser Anleihe aufgrund des 0% Zinskupons nicht mehr eine jährliche Zahlung erhalten. 325 € über 22 Jahre sind (Sie sind ja ganz gut im Kopfrechnen) 7.150 €. Das ist ja nicht so viel anders als wenn Sie Ihre bisherige Anleihe behalten und die Zinszahlungen bis zur Rente aufsparen.
Ist das einen Eigenart von Anleihen? Nehmen Sie an Sie haben 2010 eine Wohnung in München gekauft, 100 qm zu 5.000 € pro qm, also schlappe 500.000 €. Zehn Jahre später lassen Sie Ihre Immobilie schätzen und man sagt Ihnen, die Immobilie ist nun etwa das doppelte Wert, also etwa 1 Mio. € (was einer Rendite von etwa 7,2% p.a. entspricht). Noch dazu haben sie sich 10 Jahre Miete gespart. Nun trauen Sie diesen Immobiliengutachtern nicht ganz, also machen Sie den Test. Sie bieten Ihre Immobilie bei Immoscout24 an (natürlich ohne echte Adresse) zum Preis von 1 Mio. €. Kurz nachdem Sie Ihr Angebot eingestellt haben, bekommen Sie auch schon die ersten Nachrichten in Ihren Posteingang, etliche ernst klingende Anfragen von verzweifelten Münchner, die Ihnen beteuern die Wohnung schnell abkaufen zu können, denn man habe die Finanzierung schon gesichert. Es scheint, Sie könnten Ihre Immobilie tatsächlich für 1 Mio. € verkaufen.
Auch hier wieder die Frage, sind Sie nun vermögender also noch vor 10 Jahren? So klar ist die Antwort hier nicht. Auf der einen Seite könnte man sagen, nein. Sie wohnen immer noch in derselben Wohnung und vielleicht ist der Wohnwert inzwischen sogar ein wenig abgenommen, da die damals neue Wohnung nun schon erste Abnutzungserscheinungen zeigt. Im Putz zeigen sich erste Risse, das Parkett ist im Eingang auch schon ein wenig verschlissen und der Rolladen im Schlafzimmer macht auch gelegentlich Probleme. Tagtäglich wenn Sie durch die Wohnung laufen, im Bad lesen und in der Küche essen kontemplieren Sie: Eigentlich ist doch alles wie immer und doch behaupten Immobiliengutachter, Ihre Immobilie ist jetzt doppelt so viel wert.
Ihnen schwant nun, was hier vor sich geht. Sie erkennen, dass Änderungen im Marktpreis eines Vermögensobjektes (Anleihe, Immobilie, Aktie) nicht alleine aussagekräftig sind, wenn es darum geht zu beurteilen, welche Geldflüsse bzw. Konsumströme in der Zukunft. Sie verstehen, dass es einen Unterschied macht, ob der Marktpreis steigt, weil die erwarteten Zahlungen (Zinszahlungen, Mieten, Dividenden) steigen oder weil die zukünftigen Renditen sinken. Im Beispiel der Anleihe war klar, dass Sie beim Kurs von 185 kein bisschen reicher waren als 10 Jahre zuvor, sofern Sie diese Vermögen weiterhin für die Rente zurücklegen wollten. Bei der selbst genutzten Immobilie war es ähnlich, der Wohnwert hatte sich nicht verändert, jedoch war nicht so klar, ob Sie sich durch die Immobilie nun nicht doch vielleicht mehr Miete sparen als zuvor angenommen.
Für die Altersvorsorge ist eine inflationsindexierte, ausfallsichere, auf Euro lautende Anleihe das risikofreie Wertpapier.
Dies widerspricht anderen häufig gebrauchten Kennzahlen wie Volatilität, maximum Drawdown oder den SRRI Risikoindikatoren.
Häufig werden Tagesgeld und kurzlaufende Staatsanleihen als Hort ultimativer Sicherheit angesehen, so auch von der Regulierung. Dies gilt jedoch nur für den Kontext wenn nominale kurzfristige Verbindlichkeiten damit abgesichert sein sollen. Das gilt etwa für eine Bank, wenn diese Ihre Einlagen sicher verwahren möchte. Da Sie jederzeit Ihr Konto leerräumen könnten ist die Anlage dieses Geldes bei der EZB bzw in kurzfristigen deutschen Staatsanleihen für die Bank das sichere Wertpapier. Sie sind jedoch keine Bank. Also sollten Sie auch nicht so tun als ob.
P * r = C